“Wenn die Geschäftsführung eines Krankenhauses nur Zahlen und keine PatientInnen sieht”

“Ich bin am Ende meines 3. Ausbildungsjahres als Assistenzärztin in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Damit ich nach sechs Jahren meinen Facharzt machen darf, brauche ich unter anderem ein halbes Jahr Erfahrung auf einer Intensivstation. Die habe ich bereits gesammelt. 

In unserer Klinik, und auch in meiner Abteilung, war die personelle Lage bereits vor der Pandemie angespannt. Sobald eine KollegIn aufgrund von z.B. Krankheit ausfällt, heißt das oft für andere, an (den wenigen) freien Wochenenden einzuspringen oder mehr 24-Stunden-Dienste auf sich zu nehmen als tariflich vereinbart.

Seit diesem Jahr hat sich die Situation in unserem Krankenhaus sogar zugespitzt. Im März infizierte sich eine Kollegin mit Covid-19. Sie fiel 4 Wochen lang aus. Das hieß für alle anderen: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich habe zusätzliche Dienste an Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag übernommen. Ich habe an den vier Tagen (die ich frei haben sollte) über 50 Stunden gearbeitet. Privatleben bleibt in solchen Zeiten auf der Strecke.

Jetzt, 8 Monate später hat sich die Lage zum Frühjahr noch einmal verschlimmert. Ganze Stationen wurden geräumt – um Platz zu machen für Corona-Patienten. Die Corona-Intensivstation ist bis fast auf den letzten Bettplatz belegt.
Und trotzdem:…

3 Kommentare zu „“Wenn die Geschäftsführung eines Krankenhauses nur Zahlen und keine PatientInnen sieht”“

  1. Ich sitze hier und lese den Text und mir kommen die Tränen. Warum? Weil ich mit 30 Jahren nach 12 Jahren Pflege für mich dieses Jahr beschlossen habe, dem Druck nicht mehr stand halten zu können. Einen Jobwechsel einschlagen zu MÜSSEN! Mir das ein zu gestehen, war mehr als schmerzlich. Aber ja, nicht die Tatsache, das man immer abrufbar ist, immer einspringt, seine Familie und Freunde kaum noch sieht und in den wenigen freien Minuten einfach nur noch schlafen will, machen den Job im Gesundheitssystem so unattraktiv, sondern Menschen, die keinerlei fachliche Expertise besitzen, dir vorschreiben deinen Job so zu machen, das du es nicht mehr mit deinem Gewissen vereinbaren kannst. Maja ich komme zwar aus der Pflege, aber ich glaube deinen Druck sehr gut spüren zu können. Ich wünsche dir die Kraft, dem allen stand halten zu können! Covid 19 hat mir persönlich nur eins gezeigt – im Gesundheitssystem ändert sich selbst nach einer Pandemie, in der die Defizite selbst dem letzten Corona-Leugner klar werden sollten, scheinbar leider nichts. Ich wünschte mir, die Menschen würden aktiv dafür kämpfen, eine bestmögliche Behandlung zu bekommen.

  2. Liebe Maja,

    Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie schwer die Situation für viele Ärzte und Pflegepersonal ist, da ich nicht in der Richtung arbeite. Aber ich kann mir sehr wohl gut vorstellen, dass man sich überfordert, ausgebrannt und ausgenutzt fühlt. Ich konnte noch nie verstehen, wie man 24 Stunden Schichten überhaupt rechtfertigen kann. Jemand der an einer Maschine arbeitet, darf auch keine 24 Stunden Schichten machen. Und als Ärzte im Krankenhaus geht das. Es sind Menschenleben. Bei Übermüdung trifft man vielleicht eine Fehlentscheidung. Und jetzt mit Corona ist alles noch schlimmer. Ich wünschte alle, die immer noch Corona leugnen oder runterspielen, würden sehen, wie schwierig die Lage in den Krankenhäusern ist, wie alle dort am Limit arbeiten und wie schnell sich das zu einer riesigen Katastrophe entwickeln könnte.

    Auch wenn dir das nicht viel bringt möchte ich doch trotzdem Danke sagen und hoffe, dass mit der Impfung sich die Lage bald bessert. Halte durch.

    Liebe Grüße

    Linda

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