Seit ein paar Wochen stehe ich im Kontakt mit der jungen Ukrainierin Olga. Anfangs berichtete sie, wie sie in einer U-Bahn-Station in ihrer Geburtsstadt Charkiw gemeinsam mit vielen anderen Schutz fand. Sie schaffte es, sich gemeinsam mit einer Freundin nach Berlin durchzuschlagen. Wie alle Ukrainer:innen ist sie im ständigen Kontakt mit ihren Freunden. Die Männer im wehrfähigen Alter durften bekanntermaßen ihr Land nicht verlassen.
Olga hat fünf ihrer Freunde gefragt, wie es ihnen bisher ergangen ist:
Als in der Ukraine am 24. Februar der Krieg begann, wurde für das gesamte Land das Kriegsrecht verhängt. Das bedeutet auch, dass Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen dürfen, außer in einigen wenigen Ausnahmefällen. Das Ausreiseverbot gilt z.B. nicht für Männer, deren Wehrdienst zurückgestellt wurde oder die aus gesundheitlichen Gründen als “untauglich” eingestuft wurden.
Ausgenommen sind auch Väter, die für drei oder mehr Kinder unter 18 Jahren sorgen, Alleinerziehende und Männer, die sich um ein behindertes Kind kümmern. Aus der Ukraine ausreisen dürfen auch Männer, die Kinder adoptiert oder in Pflege haben und diejenigen, die bereits enge Angehörige in Anti-Terror-Einsätzen verloren haben.
Aber natürlich gelten die Ausnahmen nur für eine kleine Minderheit. Das bedeutet: Die meisten Familien, die dem Krieg entfliehen, tun dies ohne ihre Ehemänner, Väter, Söhne, Brüder oder Freunde. Einige von ihnen sind zunächst in westliche Landesteile geflüchtet, wo die Situation etwas stabiler, aber auch gefährlich ist. Auch dort ist demnach ihr Leben und das ihrer Angehörigen bedroht.
Ich habe mit einigen dieser Menschen, die noch in der Ukraine sind, über ihre Lage gesprochen. Natürlich zieht es nicht alle jungen Männer an die Front, viele haben verständlicherweise Angst oder fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet für den Kampf gegen die russische Armee.
Roman (20) studierte Kunst und Theater-Regie an der Universität von Charkiw. Seit mehr als drei Wochen sucht er mit seiner Mutter und seiner Großmutter in den U-Bahnschächten der Stadt Schutz vor den Bombenangriffen der Russen.
Er sagt: “Meine Einstellung zu meiner Arbeit ist unverändert: Ich liebe meinen künftigen Beruf und will nach dem Krieg weiter studieren, Bühnenwerke inszenieren und Filme drehen. Ich bin einfach ein Mann der Künste! Ich habe keinerlei militärische Erfahrung, habe nicht einmal irgendeine Grundausbildung erhalten…
Ich fühle mich nicht sicher, weil sich derzeit niemand sicher fühlen kann! Schon gar nicht hier in Charkiw, einem Epizentrum des Krieges. Manchmal ist es sehr beängstigend. Danach beruhigst Du Dich wieder, aber die Angst lässt Dich nie wirklich los, es ist ein Teufelskreis.
Der Zustand, in dem ich mich befinde, ist schwer zu ertragen: Da unten im Bunker zu leben und täglich nur für ein paar Minuten rauszukommen, um et…