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Schlagwort: internationale tag gegen gewalt an frauen

„Viele verbinden ihr erstes Mal mit einer schönen Erinnerung, ich verbinde es mit einem düsteren Abend in meiner Jugend.“

“Ich bin 25 Jahre alt und mit 15 Jahren vergewaltigt worden. Die meisten denken bei dem Thema an die typische körperliche Gewalt, das war es in diesem Fall aber nicht. Es war nicht die typische Vergewaltigung. Ich habe fast keinerlei Erinnerungen mehr, nur noch Bruchstücke. Viele verbinden ihr erstes Mal mit einer schönen Erinnerung, ich verbinde es mit einem düsteren Abend in meiner Jugend. Ich habe damals irgendwelche neuartigen Tropfen verabreicht bekommen, eine Art von KO-Tropfen, die einen – für Außenstehende – betrunken und völlig willenlos machen. Das Fatale: ich war aber nicht betrunken. 

Es war Samstagabend, das letzte Wochenende vor den Sommerferien, der örtliche Fußballverein hatte Jubiläum. Dort angekommen, stand eine Gruppe junger Männer an einem Stehtisch. Komisch, dachten wir uns. Eigentlich kennen wir hier alle, die haben wir noch nie gesehen. Die Bar war genau neben dem Stehtisch, wir haben uns angestellt und genau in dem Moment fragte einer von der Gruppe, ob wir uns nicht dazu stellen wollen. Warum nicht, dachten wir uns. „Trinkt ihr Wodka-O?“ fragte einer. „Ja natürlich“ – zack, hatten wir auch schon den Becher vor uns stehen. Und dann wurde angestoßen. Kurz darauf kam eine Klassenkameradin zu uns, meinte sie kennt einen dieser Typen und dieser hatte sie gewarnt, dass die gerne Mädels was ins Glas schütten. Ehrlich gesagt, wir haben darüber gelacht. Hier bei uns im Dorf? Neee, das passiert hier nicht. In Städten ja, aber hier doch nicht. Ich kann mich noch dran erinnern, dass ein paar gewitzelt hatten, wer es wohl als erstes schafft, was genau sie damit meinten, wusste ich in dem Moment natürlich noch nicht. Und wie es dann genau dazu kam, dass ich mit einem dieser Männer raus bin, weiß ich nicht mehr. Ich habe einfach mitgemacht, ich war völlig neben mir gestanden, war nicht ich. 

Verstanden was mir in dieser Nacht passiert ist, habe ich erst am nächsten Tag. Ich hatte noch nie im Leben solche Kopfschmerzen, nicht mal umgezogen habe ich mich in der Nacht, ich bin mit Jeans und Lederjacke in meinem Bett aufgewacht. Da wusste ich, irgendetwas stimmt nicht.

Als mir plötzlich die Tränen kamen – aus dem Nichts – stand auf einmal meine Klassenlehrerin hinter mir. Hat mir über den Rücken gestrichen und gesagt „Alles wird gut“. Das war der Moment als ich so richtig realisiert habe, was passiert ist. 

Ich habe dann den Abend Revue passieren lassen, ich war völlig in Trance, habe nicht wirklich realisiert, was passiert ist – aber ich wusste, betrunken war ich nicht. 2 Becher Wodka-O, davon kann dieser Rausch nicht kommen. Anvertraut habe ich mich aber niemanden. Wieso auch, dachte ich mir, nachweisen kann man das eh nicht mehr und glauben würde mir auch keiner. „Sie hat ja schließlich mitgemacht“ wäre die Antwort gewesen. Ich stand völlig neben mir und meine Freundin und ich waren das Gerücht im Dorf.

Die letzte Woche vor den Sommerferien war ich zwar körperlich in der Schule anwesend, mit meinen Gedanken aber definitiv nicht. Vor den Sommerferien wurde die Schule von uns Schülern immer „sauber verlassen“. Wir haben also am Pausenhof Müll aufgesammelt, unsere Klassenlehrerin war dabei. Ich weiß noch, ich hatte diese Müllzange in der Hand und bin völlig in mich gekehrt und mit leerem Blick durch die Gegend gelaufen. Aufgesammelt habe ich nichts, bin nur den anderen hinterhergelaufen, als mir plötzlich die Tränen kamen – aus dem Nichts – stand auf einmal meine Klassenlehrerin hinter mir. Hat mir über den Rücken gestrichen und gesagt: “Alles wird gut“. Das war der Moment als ich so richtig realisiert habe, was passiert ist. 

Die Sommerferien über habe ich mich in mein Zimmer eingesperrt und in mein Kopfwissen geheult. Meine Eltern wussten überhaupt nicht was los ist. Auch meine Freundin war nicht wirklich für mich da, meine einzige Vertraute. Sie verlangte dann 3 Wochen später von mir, es meinen Eltern zu sagen, weil im Dorf rumging, dass sie das Flittchen war und nicht ich. So wurde darüber geredet. Also habe ich es meinen Eltern erzählt, aber von Vergewaltigung oder KO-Tropfen habe ich nichts erwähnt.

Die Freundschaft ging ab da in die Brüche – so schlimm, dass wir uns heute nicht mal mehr grüßen. 

Die Schuld für alles habe ich immer bei mir gesucht, ich war schließlich selbst dafür verantwortlich sagte ich mir immer wieder selbst. Nach 3 Jahren des Verdrängens habe ich mich endlich meiner Mutter anvertraut, es kam ein Beitrag über Vergewaltigung im Fernsehen, da habe ich das Weinen angefangen, bin hoch auf den Balkon und meine Mutter kam mir hinterher. Ich habe ihr erzählt was damals passiert ist und wir haben zusammen den Entschluss gefasst, dass ich mir endlich professionelle Hilfe suche.

Die Psychologin antwortete mir auf meine Geschichte, dass sie mir nicht helfen kann und es nach 3 Jahren sowieso zu spät ist. Da bin ich gefühlsmäßig wieder gelandet wo ich kurz nach diesem Vorfall war. Habe zum Glück ein Jahr darauf eine Psychologin gefunden, die mir geholfen hat die ganze Sache zu verarbeiten.

Abschließend kann ich sagen, an dem besagten Abend war ich definitiv nicht ich selbst. Angezeigt habe ich diese Typen nie, wie auch. Solche Tropfen lassen sich leider nur ein paar Stunden nachweisen und geglaubt hätte mir sowieso keiner. Vorwürfe macht man sich natürlich immer noch, auch weil man ja schließlich „mitgemacht“ hat. Mittlerweile kann ich offen darüber sprechen. Es ist ein Teil von mir und wird es immer sein. Meine Geschichte zeigt, es gibt nicht immer die typische „körperliche Gewalt“, die „typische Vergewaltigung“. Und bitte Mädels, auch wenn euch ein Psychologe nicht ernst nimmt, kämpft weiter! Egal wie viel Zeit vergangen ist, ihr müsst es verarbeiten, ihr müsst euch jemanden anvertrauen.“

„Dass nicht normal ist was er tat, wurde mir zum ersten Mal bewusst, als er mich zwei Tage im Bad einschloss.“

„Als ich mit 20 meine erste Tochter bekam und erstmal alleinerziehend war, ging es mir gut. Ich lernte meinen zukünftigen Freund auf einer Party kennen. Ganz klassisch. Er hatte nur noch Augen für mich. Ich fühlte mich besonders.

Nach kurzer Zeit zog ich mit meiner Tochter bei meinen Eltern aus und in meine eigene Wohnung. Er sollte dort mit leben. Aber beim Umzug geholfen hat er nicht. Er kam spät und ging früh. 
Arbeit, Kind (was nicht seins war), Haushalt. Alles war mein Problem. Das erste Mal schlug er mich auf einer Party. Ich fragte ihn warum er so lange mit dem Mädchen redet. Ob er sie kennt. Und dann schlug er mich. Aus dem nichts. Jeder sah es. Niemand sagte was. 
Ich fuhr alleine nach Hause. Er mit ihr. 
Als er morgens nach Hause kam, war ich glücklich, dass er zu mir zurück kam. 

Diese kleinen „Ausrutscher“ passierten ab dann immer wieder. Sie störten mich kaum, denn ich war ja schuld… 
Ich muss dazu sagen, er schlug oder stritt niemals mit mir wenn meine Tochter zuhause war. Niemals. 

Dass nicht normal ist was er tat, wurde mir zum ersten Mal bewusst, als er mich zwei Tage im Bad einschloss. Nackt – und ohne irgendeine Hoffnung, dass mir jemand hilft oder helfen kann. 
Auch werde ich nie vergessen, als er mich mit dem Akkukabeleines alten Nokias schlug. Diese mit dem dicken schwarzen Ende. Dieses dicke Ende hat er benutzt. Nicht das Kabel. 

Ich war damals 21 Jahre alt. Ich komme aus einem tollen Elternhaus. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ich war beliebt und wunderschön. Wie bin ich da hineingeraten und warum bin ich zu dem Zeitpunkt nicht gegangen? 

Er wollte ein Kind. Ich wollte ein Kind mit ihm. Vielleicht liebt er mich dann, dachte ich… Hört auf mich zu betrügen. Macht es nicht mehr offensichtlich. 
Dieses Gefühl ihn besitzen zu müssen nahm überhand. Es ließ mich nicht mehr klar denken. Ich wurde schwanger. Ich sagte es niemandem. Nicht mal meinen Eltern. Nur wir beide wussten es. 
Niemand gönnte uns das Glück. Zu diesen Zeitpunkt aß ich nicht mehr und was ich aß, erbrach ich. Ich nahm 25 kg ab. Und in der 21 SSW kommt es zu Komplikationen. Ich rufe meine Eltern an, da ich im Krankenhaus bleiben musste. Jemand musste sich um mein Mädchen kümmern. Er tat es nicht. Ich wartete drei Wochen auf den Tod meines Kindes und konnte danach endlich nachhause. Meine Eltern warenmachtlos. Verzweifelt. 
Sie brachen den Kontakt zu mir ab. 7 Monate – keine Mama keinen Papa. Für ihn gab ich sie auf. Ich liebte meine Eltern. 

Zuhause angekommen, erzählt er mir dass er das Kind eh nicht brauchte. Er hätte jemand geschwängert. Drei Tage später bekam sie ihr gemeinsames Kind. Ich fühlte mich nutzlos. Ich blieb bei ihm. Sechs Monate später bekam er mit einer anderen Zwillinge. Und endlich trennte mich endlich. 

Sarah hat schon einiges durchgemacht im Leben. Heute ist sie glücklich. (Foto: privat)

Ein letztes Mal habe ich ihn noch gesehen. Da brach er bei mir ein, vergewaltigt mich und verschwindet. Wieder hilft mir niemand. Denn zu oft habe ich um Hilfe gerufen und ihn danach trotzdem wieder reingelassen. 

Ich wurde wieder schwanger – und entschied mich für einen Schwangerschaftsabbruch. Ich zog aus meiner Wohnung aus und zu meinen Eltern. 

Ich kann wieder atmen. 
Heute, 10 Jahre später. 
Heute geht es mir wieder gut und lebe mit meinen Mann und unseren drei Töchtern in der Nähe von Hamburg. 

Es kann jede treffen und niemand kann dich da rausholen.“