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„Ich weiß bis heute nicht, was ein härterer Schlag für mich war: die Schläge von meinem Ex oder die Worte meiner Mutter“

„Ich hatte vor wenigen Jahren einen Partner, mit dem ich gerade im Inbegriff war zusammenzuziehen. Seit wir den Mietvertrag unterzeichnet hatten, hatte ich zunehmend ein mulmiges Gefühl, dass er mir fremdgehen würde. Und dann gab es mehrere eindeutige Anzeichen, sodass ich die Beziehung beendet habe und mich aus dem Mietvertrag rausnehmen lassen habe. 

Ein halbes Jahr lang ist er mir hinterhergerannt. Hat mir gesagt wie sehr er mich liebt und nur mich will. Für mich war das Thema abgehakt. Eines nachts bekam ich einen Anruf: er hatte einen traumatischen Autounfall und dürfte nach Hause, wenn er über das Wochenende Tag und Nacht unter Betreuung ist. Da er nur wenige Kontakte in der Stadt hat habe ich mich trotz allem was geschehen war dazu bereit erklärt. Doofe Idee… 

Als ich nachts schlief hat er mein Handy genommen und mit meinem Finger das Handy entsperrt. Alle Bilder und SocialMedia Profile, WhatsApp und Mails durchforstet. Die ganze Nacht durch. 

Da wir ja seit einem halben Jahr auseinander waren, habe ich auch schon angefangen mit anderen Männern zu schreiben um mich etwas abzulenken. All das las er.  

Und dann geschah etwas – und ich weiß bis heute nicht, was ein härterer Schlag für mich war: die Schläge von meinem Ex oder die Worte meiner Mutter: er habe mit Sicherheit begründet gehandelt. 

Als ich aufwachte, begann der Psychoterror:

Er will mich rausschmeißen, ich will gehen, er sperrt mich ein- das lief eine ganze Weile so hin und her… dann schien es mir, als wolle er Herr der Situation sein und Macht demonstrieren: er drückte meine Arme so fest, dass sie grün und blau waren,warf mich auf den Boden, würgte mich, kratzte und schlug mich. Er wollte vor allem eins: mich brechen. 

Aber ich stand immer wieder auf und schrie so laut ich konnte. Irgendwann schaffte ich es mich zu befreien und wollte ohne meine Sachen aus der Tür flüchten – da schmiss er meine Schuhe gegen meinen Kopf und beschimpfte mich lautstark – während die Nachbarn uns beobachteten – und nichts taten.

Ich war völlig überfordert, wusste nicht wohin, weil ich mich tatsächlich geschämt habe und dachte ich habe etwas falsch gemacht. Habe mich dann aber nach einem kurzen Moment doch einer Freundin anvertraut, die zu mir kam und mich ermutigte, mit meiner Familie darüber zu sprechen. 

Und dann geschah etwas – und ich weiß bis heute nicht, was ein härterer Schlag für mich war: die Schläge von meinem Ex oder die Worte meiner Mutter: er habe mit Sicherheit begründet gehandelt. 

Meine Freunde hingegen haben mich gestärkt und konnten nicht verstehen, dass ich ihn nicht anzeigen wollte.  Hierzu muss ich sagen, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe. 

Ich war auch beim Hausarzt um die Wunden dokumentieren zu lassen.
Der meinte jedoch, dass ich mir das gut überlegen sollte,schließlich würde ich mit so einer Anzeige das Leben eines Menschen zerstören. Ich solle abwägen, ob es eine einmalige Sache oder ein wiederholtes Vergehen wäre.

Ich muss sagen, das schlimmste ist wirklich, dass man immer wieder auf so Menschen stößt. „Die Frau ist dumm, weil sie sowas über sich ergehen lässt.“ „Die hat das bestimmt auch verdient.“ „Mit mir könnte sowas keiner machen“…. und jaaaa, mit mir auch nicht! Aber danke, dass ich mich schlecht fühlen muss, weil ich zum Opfer geworden bin. 

Das Ende der Geschichte ist, dass ich mehr als zwei Jahre lang unter Angstzuständen litt. Ich hatte immer Angst ihn irgendwo zufällig zu sehen. Wenn ich zuhause war und draußen Geräusche gehört habe, hatte ich immer Panik bekommen er könnte vor der Türe stehen. Als ich einen neuen Partner hatte, durfte er mich in Streitmomenten nie berühren, weil ich es sofort fehlinterpretiert habe und Panik bekommen habe. 

Das alles – es war nur ein einziger Morgen, an dem ich sowas durchlebt habe – und trotzdem hatte ich so lange damit zu kämpfen. Unvorstellbar, was Frauen durchleben, die sich in solch einer Gewaltbeziehung befinden und keinen Ausweg finden.“

Gefahr für die Demokratie

Weltweit sind in der letzten Zeit immer mehr Menschen auf die rechts-extreme Verschwörungsgruppe “QAnon” aufmerksam geworden. QAnon gilt als erfolgreichste Verschwörungstheorie der Neuzeit: Sie glauben, dass die Elite, darunter unter anderem Hollywoodstars, Journalisten und Trumps Gegner, die Demokraten, Kinder töten und sich mit Hormonen aus deren Blut behandeln lassen würden. Präsident Trump würde die Welt „vor einem satanischen Kult aus Pädophilen und Kannibalen” (Quelle: Zeit.de) retten. Im Mai wurde QAnonvom FBI als inländische Terrorbedrohung deklariert. Dennoch glauben laut Forbes 56 Prozent der Republikaner, dass die Theorie stimmt oder teilweise zutrifft, während lediglich 4 Prozent der Demokraten angaben, dass sie teilweise stimmt.

Generell ist zu beobachten, dass Verschwörungstheorien in den vergangenen Jahren weltweit Hochkonjunktur haben. Diese Theorien scheinen sich häufig bei weltgeschichtlichen Ereignissen zu entwickeln, für die es keine einfache Erklärung gibt.  Diese oft tragischen oder absurden Geschehnisse sind so schwer zu verstehen, dass man durchaus an der “Wahrheit” zweifeln kann. Verschwörungstheoretiker suchen dann nach der vermeintlich “richtigen” Erklärung für Ereignisse wie 9/11 oder Adolf Hitlers Tod. Sie sind meist der Überzeugung, die Wahrheit zu kennen und suchen nach einem Motiv: Wer könnte von einer Inszenierung profitieren?

Zum Beispiel glauben einige, dass COVID-19 nicht existiert, jedoch würde das bedeuten, dass Millionen von Menschen gerade unwissentlich betrogen werden würden. COVID – Leugner sehen zum Beispiel das Tragen von Masken als „Eingriff in die Freiheitsrechte” an, andere glauben, dass COVID dazu dient, den sexuellen Handel mit Kindern zu vertuschen (Quelle: BBC.com), auch dies steht oft im Zusammenhang mit QAnon. Angeblich würde das Tragen der Maske Kinder anfälliger für Entführungen und dem damit einhergehenden Menschenhandel machen. Diese Theorien finden weltweit zunehmend Zuspruch, obwohl sich Experten einig sind, dass keine der Theorien bewiesen werden kann (Quelle: usatoday.com).  

Verschwörungstheoretiker glauben auch, dass nichts so ist, wie es scheint und dass alles miteinander verbunden ist. Dabei beachten sie nicht, dass es auch Zufälle gibt, dass nicht alles eine einfache Erklärung hat und dass nicht alle Ereignisse zusammenhängen (Quelle bpb.de). Gerade medizinische Verschwörungstheorien können dazu führen, dass Menschen den Glauben an essentielle Institutionen, wie zum Beispiel die Polizei, die Weltgesundheitsorganisation oder die Medien, verlieren.

Tatsächlich sind auch nicht alle Verschwörungstheorien komplett unwahrscheinlich. Zum Beispiel glaubten wenige Menschen, dass Länder ihre Bürger überwachen würden, bis Edward Snowden den U.S. NSA (National Security Agency) – Skandal aufdeckte (Quelle: bpb.de).

Nach Angaben von Michael Butter, Professor für amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen, können Verschwörungstheorien ein Motor für politische Radikalisierung sein und deshalb zu Gewaltbereitschaft und tatsächlicher Gewalt führen. Wie er in einem Interview mit der Deutschen Welle angab, wurde uns das bereits durch den Anschlag in Christchurch am 15. März 2019 gezeigt, bei welchem 51 Menschen ums Leben kamen.

QAnons Theorie tauchte erstmals so richtig zum Wahlkampf 2016 auf – und verbreitete haltlose Behauptungen über Trumps damalige Kontrahentin Hillary Clinton. Im Oktober 2017 fing dann jemand mit dem Namen “Q” an, im pseudo-anonymen Diskussionsforum 4chan zu posten, dass Clintons Verhaftung unmittelbar bevorstehe. 4chan ist eine Plattform, die dafür bekannt ist, White Supremacy (weiße Vorherrschaft) aufrechtzuerhalten. QAnons Theorien verbreiten sich seitdem hauptsächlich auf sozialen Netzwerken. Diese versuchen dagegen vorzugehen:

Facebook hat bereits 790 Gruppen, 100 Seiten und 1.500 Anzeigen entfernt, während Twitter über 7.000 Accounts von QAnon-Unterstützern gesperrt hat (Quelle: Zeit.de).  QAnonsMitglieder verwenden beim Posten ihrer Inhalte vor allem Hashtags wie savethechildren, saveourchildren, wherewegoonewegoall und pizzagate. Unter dem Hashtag „pizzagate” wurde die absurde Annahme verbreitet, dass Demokraten aus einer Pizzeria in Washington D.C. heraus Kinderhandel betreiben würden.

Zu Beginn dieses Wahljahres tauchten wieder vermehrt Verschwörungstheorien von QAnon auf, wohl um auch auf die Präsidentschaftswahl 2020 Einfluss zu nehmen.

QAnon: die erste rechtsextreme Verschwörungstheorie der Neuzeit, die in die amerikanische Mainstream-Kultur und die Washingtoner Politik eindringt

Zum Beispiel haben QAnon-Gruppen einen Artikel von der Associated Press aufgegriffen und als Beweis für ihre Theorien angeführt: Im Artikel ging es um einen Zuschuss in Höhe von 35 Millionen US-Dollar von der Regierung an Organisationen, die sich für Überlebende des Menschenhandels einsetzt. Beobachter bezeichnen diese verhältnismäßig geringe Summe als reine Wahlkampftaktik seitens des Präsidenten. 

QAnons Anhänger nutzen immer wieder Meldungen oder aus dem Zusammenhang gerissene Statistiken, um damit eigene ausgedachte Theorien vermeintlich zu belegen. QAnon degradiert Politiker und Medienschaffende mit dem Argument: „Wenn Sie dagegen sind, dass wir darüber sprechen, sind Sie für Kinderhandel”.

Experten sagen außerdem, dass QAnon die erste rechtsextreme Verschwörungstheorie in der Neuzeit sei, die es geschafft hat, in die amerikanische Mainstream-Kultur und die Washingtoner Politik einzudringen (Quelle: ABC news). So seien mindestens rund ein Dutzend Kandidaten, die bei den Wahlen im November einen Sitz im US-Repräsentantenhaus anstreben, QAnon-Befürworter, unter anderem Rep. Majorie Taylor Greene, Rep. Jo Rae Perkins und Rep. Lauren Boebert (Quelle: Washington Post, Axios).

Die aktuelle Regierung steht immer wieder in der Kritik, sich nicht von der Verschwörungstheorie klar abzugrenzen. So wollte Vizepräsident Mike Pence an einer Spendenaktion für Präsident Trumps Wahlkampagne Anfang September diesen Jahresteilnehmen. Diese wurde abgesagt, nachdem ein Bericht der Associated Press (AP) enthüllte, dass das Ehepaar, welches die Veranstaltung ausrichtete, öffentlich seine Unterstützung für QAnon zum Ausdruck gebracht hatte.

Immer wieder wird Präsident Trump von Reportern auf QAnon angesprochen. Im August äußerte er sich auf einer Pressekonferenz: „Nun, das habe ich (…) nicht gehört. Aber soll das eine schlechte oder gute Sache sein? Ich meine, wenn ich helfen kann, die Welt vor Problemen zu retten, bin ich bereit, es zu tun”, (Quelle: whitehouse.gov). Als er bei der Town Hall am 15. Oktober zuletzt dazu angehalten wurde, QAnon und damit White Supremacy zu verurteilen, antwortete er: „Ich weiß nichts darüber. Ich weiß, dass sie gegen Pädophilie sind, sie kämpfen sehr hart dagegen an” (Quelle: bbc.com).

Sowohl Präsident Trump als auch seine Kinder und Mitarbeiter des Weißen Hauses haben bereits QAnon-Inhalte auf sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf Twitter, geteilt. Dabei wird angenommen, dass Präsident Trump nichts gegen die Bewegung unternehme, da er wohl den Verlust einiger Wählerstimmen fürchte. Außerdem kommt es ihm im Hinblick auf die bevorstehende Wahl zugute, dass QAnon Fehlinformationen und Zweifel gegenüber seinen politischen Gegnern, den Demokraten, streut.

Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Menschen, insbesondere jüngere Leute, die sozialen Netzwerke als primäre Nachrichtenquelle nutzen, sehen viele eine offensichtliche Gefahr: QAnon beeinflusst durch das gezielte Streuen von Fehlinformationen und Lügen zunehmend die sozialen Netzwerke. Dies hat nicht nur einen enormen Einfluss auf Millionen Nutzer, sondern unter Umständen auch auf deren Stimmabgabe bei der Präsidentschaftswahl in 14 Tagen.


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