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„Ich wurde dank künstlicher Befruchtung schwanger – und brachte meine Zwillinge in der 26. SSW auf die Welt“

Ein Text von Sarah Schulze

Der Weg zur eigenen Familie war für Nele und ihren Mann mit vielen Hürden und Schicksalsschlägen verbunden. Schon früh wussten die beiden, dass es aufgrund der familiären Vorgeschichte ihres Mannes sehr schwer werden würde, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Die Ärzte raten ihnen, direkt den Weg der künstlichen Befruchtung zu gehen.

Trotz schlechter Qualität des Spermienmaterials ist Neles Hoffnung groß, dass es bei einem Versuch bleiben würde – sie wird enttäuscht. Auch nach dem zweiten Versuch bleibt der Schwangerschaftstest negativ. Ihre damalige Ärztin rät ihr und ihrem Mann zu dem Zeitpunkt, über Fremdsperma oder Adoption nachzudenken. Der Fall ihres Mannes sei wohl äußerst selten; sie habe wenig Hoffnung, dass eine künstliche Befruchtung Erfolg habe. 

“Ganz gruselig” – so beschreibt Nele die Vorstellung, ein Kind mit fremden Sperma zu zeugen. Sie fällt in ein tiefes Loch, hat wenig Hoffnung, doch noch ein gemeinsames Baby mit ihrem Mann zu bekommen. Die beiden machen einen Cut, verordnen sich selbst eine Pause – ein dritter Versuch kommt erstmal nicht in Frage.

“Rückblickend war Abstand das beste”, sagt Nele. Und so starten sie einen erneuten Versuch, in einer neuen Klinik, mit neuen Ärzten. Und wieder ist das Spermienmaterial nicht gut, es würde wieder nicht leicht werden. Aber irgendetwas ist anders – Nele sagt, sie habe ein zuversichtliches Gefühl gehabt.

Und das täuscht sie nicht: Zwei Eizellen haben sich befruchten lassen. Der Schwangerschaftstest: Positiv. In der siebten Schwangerschaftswoche erfahren Nele und ihr Mann, dass sich nicht nur eine Eizelle eingenistet hat, sondern beide. Sie bekommen Zwillinge. Trotz extremer Übelkeit hat Nele eine unauffällige Schwangerschaft. 

In der 22. Woche ändert sich das Leben des Ehepaars schlagartig: An der Fruchtblase hatte sich ein Trichter gebildet, der Gebärmutterhals war verkürzt, der Muttermund leicht offen – Nele wurde sofort ins Krankenhaus überwiesen. Alleine, während Corona. Dadurch durfte sie ihr Mann nicht begleiten. Die Ärzte erklärten ihr ihre Optionen: Eine mit Risiko verbundene OP – oder zurück nach Hause und es drauf ankommen lassen. Sie entschied sich für die OP, denn gar nichts zu tun kam nicht in Frage.

“Diese Wochen waren die härtesten meines Lebens. Ich war ganz allein, mein Mann durfte gar nicht zu mir. Ich habe auf einmal die ganze Verantwortung gespürt, die allein auf mir lag. Ich war dafür verantwortlich, dass ich meinen Babys noch mehr Zeit in meinem Bauch verschaffe. Und immer war da die Sorge: Darf ich kurz zum Fenster gehen – oder gefährde ich meine Kinder dadurch? Platzt eventuell die Fruchtblase? Sie hätten doch kaum Überlebenschancen gehabt…”

Ihre Ängste werden wahr: Nach zwei Wochen bekommt die Fruchtblase Risse. Sie kann die Geburt noch eine weitere Woche hinauszögern, dann aber bekommt sie Wehen, die nicht mehr aufzuhalten sind. Und dann, endlich, darf ihr Mann kommen. “Da habe ich pure Freude und Panik zugleich gespürt.”

Die Zwillinge werden per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. In der 26. Schwangerschaftswoche, 590 und 680 Gramm schwer – gerade überlebensfähig. Die Neugeborenen werden sofort weggebracht, Nele habe sie nicht einmal schreien hören. “Man ist auf einmal Eltern, aber die Babies sind nicht da” – so beschreibt sie ihre ersten Momente als Mama.

Den beiden Kleinen geht es den Umständen entsprechend gut; sie konnten selbstständig atmen, brauchten “nur” eine Sauerstoffmaske. Neles Zwillinge holen die Entwicklung auf der Frühchenstation auf – nach drei Monaten dürfen sie endlich nach Hause. “Es ist der absolute Wahnsinn, was Frühchen in ihren ersten Lebenswochen leisten – und was die Medizin heutzutage alles kann”, sagt sie. Von Anfang an versucht sie, dem schweren und viel zu frühen Start ins Leben etwas Positives abzugewinnen: dadurch konnte ihr Mann die Kinder wenigstens früher begleiten.

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