Die Lage in der Demokratischen Republik Kongo.

Gewaltsame Rebellen, humanitäre Not und eine scheiternde UN-Mission

Seit mehreren Jahrzehnten schwelt die Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo. Nach zwei Kriegen und immer wieder lokal ausbrechenden Konflikten zwischen Rebellengruppen und der kongolesischen Armee befindet sich die Miliz “M23” seit knapp einem Jahr auf dem Vormarsch und erobert vom Osten des Landes die Gebiete. Sie hinterlässt großes humanitäres Leid – und die Frage, ob die weltweit teuerste Friedensmission der Vereinten Nationen im Kongo scheitert. 

Von Sarah Schulze

“Jeden Tag gibt es Tote. Es reicht.” Es sind nicht viele Worte, die Robert Basiloko gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP ausspricht – dafür sind sie umso erschütternder. 

Basiloko kommt aus der Provinz Ituri im Osten der Demokratischen Republik Kongo – einer krisengebeutelten Region, in der Gewalt auf der Tagesordnung steht. Dort im Osten des Landes sind die gewaltsamen Vergehen von Milizen besonders schlimm; aber auch der Rest des Kongos kommt seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe. Das Land befindet sich in einer nicht enden wollenden Krise, obwohl die UN im ostafrikanischen Kongo seit fast 24 Jahren die weltweit teuerste Friedensmission hat und dort mit zehntausenden Einsatzkräften, sogenannten Blauhelmsoldaten, tätig ist. 

Humanitäre Lage: Laut UN sind in keinem anderen Land so viele Menschen von Hunger bedroht wie im Kongo

UN-Schätzungen zufolge operieren derzeit mehr als hundert bewaffnete Rebellengruppen im Kongo, insbesondere im Osten des Landes, die die Bevölkerung terrorisieren und schwach regierte Gebiete kontrollieren. Die stärkste Miliz ist weiterhin die M23 (Name ist angelehnt an das Friedensabkommen vom 23. März 2009), die seit mittlerweile über einem Jahrzehnt aktiv ist. Zuletzt hat sich der Konflikt durch Zusammenstöße zwischen der kongolesischen Armee und den Kämpfern der Bewegung M23 verstärkt. Die Rebellen haben nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile weite Teile der kongolesischen Ostprovinzen erobert. Es geht ihnen um Kontrolle – vor allem über Bodenschätze, von denen laut des ThinkTanks Councils on Foreign Relations (CFR) Ressourcen im Wert von 24 Billionen US-Dollar noch unerschlossen sind.

Nach Angaben von Achim Reinke, Pressereferent von Caritas International, führt die Gewalt zu einer “massiven Vertreibung der Menschen aus ihren Dörfern.” Momentan seien mindestens fünf Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Die Zahlen sind erschreckend: Laut UN sind derzeit in keinem anderen Land so viele Menschen von Hunger bedroht wie in der Demokratischen Republik Kongo. 

Die Lage vor Ort sei prekär, so Reinke. Die hilfesuchenden Menschen erhalten nicht ausreichend Unterstützung; in den besonders stark betroffenen Regionen müssen Kirchen und die Zivilgesellschaft einspringen. Hilfsorganisationen wie die Caritas versuchen die Hilfe derzeit aufgrund der schnellen Verschlechterung der humanitären Lage weiter aufzustocken.

In- und ausländische Kritik an UN-Friedensmission

Inmitten der humanitären Katastrophe durch die gewaltsamen Rebellen wird die Kritik an der UN-Friedensmission im Kongo (offizieller Name: MONUSCO (Öffnet in neuem Fenster) (Öffnet in neuem Fenster)) lauter. Vor über zwei Jahrzehnten sollte sie dem Land nach den Kongokriegen zu Frieden verhelfen und Stabilität für die Bevölkerung schaffen. Nicht nur internationale Medien kritisieren die Mission, auch im Land selbst protestieren die Menschen gegen die Blauhelme. Die MONUSCO würde laut der Nachrichtenseite Deutsche Welle unter anderem nicht gemeinsam mit lokalen Entscheidungsträgern, sondern relativ isoliert operieren. Dadurch stoße sie auf wenig Akzeptanz der Einheimischen. Zudem seien die M23-Rebellen laut der Leiterin der MONUSCO, Bintou Keita, der Mission waffentechnisch deutlich überlegen – die Kongoles:innen kritisieren daher immer wieder, dass die Blauhelme sie nicht wirksam vor der Miliz schützen können. 

Im Juli letzten Jahres wurde der Sprecher der Mission, Mathias Gillmann, schließlich des Landes verwiesen. Die Regierung machte ihn für die zunehmenden Spannungen zwischen der MONUSCO und der Bevölkerung verantwortlich. Zuvor waren mehr als 30 Kongoles:innen und vier Blauhelmsoldat:innen bei gewaltsamen Protesten der Einheimischen gegen die Mission ums Leben gekommen. Anfragen der Redaktion an die Mission selbst sowie an die internationale und deutsche Vertretung der UN blieben bislang unbeantwortet. 

Wo liegen die Ursprünge der gewaltsamen Krise?

Der Völkermord der Hutu-Mehrheit an der Minderheit der Tutsi im benachbarten Ruanda Mitte der 90er-Jahre gilt als Hauptauslöser der noch heute andauernden Krise. Dieser führte zum Ersten Kongokrieg zwischen mehreren bewaffneten Konfliktparteien – unter anderem ruandischen Hutus – auf dem Gebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo, die damals noch Zaire hieß. Die bewaffneten Gruppen führten ihren Bürgerkrieg nahezu uneingeschränkt gegen die Bevölkerung. Schließlich wurde sie von den Rebellen gestürzt. 

Kurz nach Ende des Ersten Kongokrieges brachen erneut lokale Konflikte aus, die ab 1998 im Zweiten Kongokrieg mündeten. Bis 2003 kämpften kongolesische Regierungstruppen, die von Angola, Namibia und Simbabwe unterstützt wurden, gegen Rebellen, die von Ruanda und Uganda unterstützt wurden. Laut des CFR lag die Zahl der Todesopfer bei über drei Millionen Menschen. 

Trotz eines Friedensabkommens im Jahr 2002 und der Bildung einer Übergangsregierung im Jahr 2003 ging die Gewalt der bewaffneten Gruppen gegen die Zivilbevölkerung in der östlichen Region weiter. Die Gründe: eine instabile Regierung, schwache kongolesische Institutionen und weit verbreitete Korruption. Eine der bekanntesten Rebellengruppen, die sich nach dem Zweiten Kongokrieg formierte, ist die Bewegung “M23”. Sie setzt sich hauptsächlich aus Angehörigen der Minderheit Tutsi zusammen. 

Neue Regierung gab kurzzeitig Hoffnung

Bei den Ende 2018 abgehaltenen Präsidentschaftswahlen flackerte ein Hoffnungsschimmer auf: Zum ersten Mal in der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo wurde die Macht zwischen dem scheidenden Amtsinhaber Joseph Kabila, der achtzehn Jahre lang regierte und die Wahlen mehrfach verschoben hatte, und dem neu gewählten Präsidenten, Oppositionsführer Félix Tshisekedi, friedlich übergeben. Das Ereignis hatte aber einen faden Beigeschmack: Technische Probleme und Unregelmäßigkeiten, einschließlich einer Verzögerung der Stimmabgabe für mehr als eine Million Menschen, beeinträchtigten die Wahl selbst. Ein Grund, weshalb das Ergebnis seitdem immer wieder angezweifelt wird.

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