Gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Ebenso gegen die russische Kommissarin für Kinderrechte, Maria Aleksejewna Lwowa-Belowa. Mit einer baldigen Verhaftung ist dennoch nicht zu rechnen. Eine Völkerrechtlerin erklärt die Herausforderungen bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen.
Von Lisa Wiese
Noch bevor es offiziell war, kursierten in der New York Times (öffnet in neuem Fenster) Gerüchte, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen zwei russische Offizielle erlassen wolle und eine Anklage wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine vorbereite. Am 17. März 2023 bestätigte der IStGH dann diese Mutmaßungen in einer Pressemitteilung (öffnet in neuem Fenster) und erklärte, dass auf Grundlage von gesicherten Beweisen durch unabhängige Ermittlungen begründeter Verdacht besteht, dass Putin und Lwowa-Belowa für Kriegsverbrechen verantwortlich sind.
Bisher haben sich 120 Staaten der Gerichtsbarkeit des IStGH unterworfen (darunter auch Deutschland). Alle diese Staaten sind deshalb verpflichtet, Putin und Lwowa-Belowa auszuliefern, wenn sie sich innerhalb der eigenen Landesgrenzen aufhalten. Auch nicht Vertragsstaaten wie China könnten Putin und Lwowa-Belowa nun rechtmäßig festnehmen und ausliefern bzw. an den IStGH nach Den Haag überstellen.
Festnahme und Auslieferung Putins – wie realistisch ist dieses Szenario?
Wie realistisch (öffnet in neuem Fenster) das letztendlich ist, steht auf einem anderen Blatt. Sollten die Betroffenen beispielsweise für Kur- oder Klinikaufenthalte nach Mitteleuropa einreisen, so können Putin und seine Komplizin festgenommen werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, den Haftbefehl geheim zu halten, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen und Putin und Lwowa-Belowa weiter unbehelligt reisen zu lassen. Allerdings hat beispielsweise Ungarn (öffnet in neuem Fenster) bereits angekündigt, dass sie Putin trotz Haftbefehl nicht ausliefern würden, um keine weitere Eskalation des Krieges zu riskieren. Die Haftbefehle gehen also nur über ihren großen symbolischen Wert hinaus, wenn die internationale Gemeinschaft handelt und diesen auch umsetzt.
Grausames Kriegsverbrechen: Tausende ukrainische Kinder nach Russland verschleppt
Vorgeworfen wird den Angeklagten das Kriegsverbrechen der rechtswidrigen Vertreibung und Überführung der Bevölkerung aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine soll die russische Armee im direkten Auftrag Putins mehr als 1.800 ukrainische Kinder verschleppt haben. Die verschleppten Kinder werden in Russland zur Zwangsadoption freigegeben. An der Umsetzung dieser Taten ist die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa maßgeblich beteiligt, die auch selbst ein ukrainisches Kind adoptiert hat.
Die Haftbefehle sind ein starkes Signal, aber die Vorwürfe stellen nur einen Ausschnitt der mutmaßlich begangenen russischen Kriegsverbrechen dar. Angriffe gegen die zivile Infrastruktur oder Zivilisten bleiben in der Anklage noch außen vor. Das zeigt, wie schwierig ein solches Verfahren vor dem IStGH wirklich ist. Bisher ist aus Sicht des Generalanwalts nämlich nur der Verschleppungsvorwurf handfest beweisbar. Hinsichtlich ander…