Bitte hört auf „Coronavirus“ zu sagen! Ein Leidensbericht von Frau Corona

Früher – also vor Dezember 2019 – waren Reaktionen auf meinen Nachnamen folgende: „Schöner Name, wo kommt der denn her?“, „Corona? Das ist doch die Krone, oder?“ oder „Ach, so wie das Bier?“. Sehr viel öfter gab es auch gar keine Reaktion, eher eine zur Kenntnisnahme oder ich musste ihn buchstabieren, weil mich viele Menschen mit „K“ statt mit „C“ schreiben wollten. Jetzt, neun Monate später, im August 2020, wo ich diesen Artikel verfasse, sieht die Lage komplett anders aus. Jetzt sind die Reaktionen komplett negativ. Von vermeintlichen Späßen der Arbeitskolleg*innen, zu der meistgestellten Frage „Da dürfen/darfst Sie/du sich/dir sicher gerade einige dumme Sprüche anhören, oder?“, bis hin zu „Heißt du wirklich ‚Corona‘?“ und noch vieles mehr. Auf letztgenannte würde ich nur allzu gerne antworten „Nein, ich fands nur super cool so zu heißen wie ein Virus, der eine weltweite Pandemie ausgelöst hat, woran schon sehr viele Menschen verstorben sind, worüber sich alle lustig machen, den alle total bescheiden finden, weswegen wir alle Masken tragen müssen, unsere Liebsten nicht sehen können, das Reisen eingeschränkt ist, das öffentliche Leben teilweise lahmgelegt ist, die Wirtschaft in einer Krise steckt und weshalb ich mir nun tausend dumme Sprüche anhören darf. Total super! Das solltest du auch unbedingt mal probieren.“ Lässt man die Ironie beiseite, dann ist das Ganze tatsächlich alles andere als lustig und belastet vor allem psychisch mal mehr und mal weniger. Zumindest geht es mir so… 
Aber fangen wir nochmal an: Warum heißt der Virus eigentlich „Coronavirus“? Coronaviren gibt es nämlich schon seit Jahrzehnten, denn auch MERS und SARS sind Coronaviren. Die Wissenschaftler*innen gaben dieser Virenart den Namen „Corona“, weil dieser unter dem Mikroskop so aussieht wie eine Krone. „Corona“ heißt im Lateinischen nämlich „Die Krone“ und auch auf Italienisch oder Spanisch bedeutet es übersetzt „Krone“. Auf Grund seiner Bedeutung und dem schönen Klang, gaben die Wissenschaftler*innen diesem Virus seinen Namen. Es ist spannend zu beobachten, wie die Medien das Wort „Corona“ einfach so, ganz schnell etabliert haben und es nicht reflektiert und nicht hinterfragt von der Bevölkerung übernommen wurde. Das hat für mich persönlich, einen Teil meiner Familie und sicherlich auch noch für andere Menschen auf der Welt, die diesen Namen als Vor- oder Nachnamen tragen, schwerwiegende Folgen. Gerade in der heutigen Zeit, wo wir alle so viel hinterfragen, Gendern und vor allem auf die korrekte Sprache so viel wert legen, bin ich von diesem Geschehen einfach nur enttäuscht. Zumeist sind es nämlich vor allem die deutschsprachigen Medien, die das Wort „Corona“ dauerhaft und für alles nutzen. Anstatt Covid/Covid-19 zu sagen, wie eben bei MERS oder SARS auch die Kürzel in Nutzung sind. In Italien oder Spanien, wird der Name alleine gar nicht und wenn, dann nur als „Coronavirus“ genutzt, denn durch seine eigentliche Bedeutung wäre alles andere irreführend. 
Ich würde mir wünschen, dass wir bei Covid/Covid-19 bleiben, denn es ist absolut nicht schön, seinen eigenen Namen nur noch in negativen Zusammenhängen zu hören oder zu lesen. Sprache schafft Wirklichkeit! Deshalb ist es uns vor allem im Miteinander ein großes Anliegen niemanden zu beleidigen, (unwissend) zu verletzen oder auszugrenzen – was auch die aktuellen Diskussionen im rassistischen Kontext deutlich machen. Diesen Diskussionen und der Wichtigkeit, wie wir Sprache nutzen, schließe ich mich an. Ich fühle mich aktuell von den Medien ausgeschlossen, der Gesellschaft verletzt und insbesondere von meinen Arbeitskolleg*innen (daran arbeite ich aktuell immer noch) nicht ernst genommen und dadurch insgesamt – von den Menschen um mich herum (unwissentlich) – diskriminiert! Ich kann meinen Namen nicht mehr lesen oder hören. Es belastet mich einfach zu sehr. Was in Urlauben ein witziger Fakt war – „Ach, schau mal, dass hübsche Café dort drüben trägt deinen Namen!“ – ist jetzt mit Plakaten wie „Teilt Stories, nicht Corona!“ zu einem Albtraum geworden und schlägt mir nun schon seit Monaten auf den Magen. Egal in welchem Kontext, ob beruflich – im sozialen Bereich – oder privat mit Freunden oder der Familie, immer muss ich erst darauf hinweisen, den Virus „Covid/Covid-19“ zu nennen oder korrigieren, damit es hinterfragt wird. Nur sehr wenig Menschen fragen danach, wie es mir damit geht, aber alle sind sie froh, dass es nicht der eigene Name ist, der dafür verwendet wurde. So schön die Intention der Wissenschaftler*innen hinter der Namensgebung auch war, so schlimm ist die Nutzung der Medien und der Gesellschaft (hier in Deutschland) des Namens jetzt. Ich mag meinen Namen immer noch und finde ihn gerade im Zusammenspiel mit meinem Vornamen sehr schön. Deshalb ist meine Bitte an euch: Achtet auf eure Wortwahl, denn ihr wisst nie, wann jemand den Namen trägt, den ihr nur allzu selbstverständlich benutzt. Nutzt das Kürzel Covid/Covid-19, denn wirklich niemand möchte morgens aufwachen und seinen eigenen Namen für eine Pandemie lesen. Vielen Dank.

Miss Corona

5 Kommentare zu „Bitte hört auf „Coronavirus“ zu sagen! Ein Leidensbericht von Frau Corona“

  1. Krass! Ich habe mir ehrlich gesagt nie Gedanken gemacht und war selbst immer etwas verwirrt von den Medien, warum mal Corona und mal COVID-19 gesagt wird…also warum es da keine Einheitlichkeit gibt. Ab jetzt also nur noch Covid!
    Danke fürs Augen öffnen.

  2. Es tut mir sehr leid, dass du dich deswegen schlecht fühlst. Aus wissenschaftlicher Perspektive finde ich die Bezeichnung Corona nicht sinnvoll und sage selbst covid-19.
    Das als Diskriminierung zu bezeichnen finde ich allerdings hochgradig schwierig. Diskriminierung geht laut definitiv immer mit einer schlechter Behandlung einher und auch wenn sich jetzt so viele Leute über dich lustig machen wirst du deswegen nicht von Jobs ausgeschlossen auf die du dich bewirbst, wirst die Wohnung auf die du dich bewirbst nicht deswegen nicht bekommen und vermutlich werden diese Witze auch weniger werden.
    Also versteht mich bitte nicht falsch. Ich möchte die Erfahrung und Gefühle von Frau Corona nicht klein reden. Ich finde man sollte sich im allgemeinen sich nicht über Menschen lustig machen. Die Formulierung „Ich fühle mich aktuell […] diskriminiert.“ finde ich allerdings nicht gut, da sie in meinen Augen tatsächliche Diskriminierung relativiert und klein redet.

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